Berufskrankheit - Asbestmesotheliomkrebs der Ehefrau - Roman - Arbeitsunfall, Wegeunfall, Berufskrankheit Rechtsanwälte Battenstein & Battenstein | Arbeitsunfall & Arbeitsunfälle

Berufskrankheit Asbestmesotheliomkrebs


Die 13 - "Sie können der Nächste sein"
Arbeitsunfall, Wegeunfall, Berufskrankheit

12. Asbestmesotheliomkrebs der Ehefrau


Zum Tode führende Pflicht der Hausfrau

Tödlich erkrankt infolge Reinigung der asbestverstaubten Arbeitskleidung des Ehemannes?

Gegenwärtig beschäftigen uns die tückischsten Fälle der gesetzlichen Unfallversicherung, nämlich die Asbestmesotheliome von Ehefrauen und Kindern der Asbestwerker.

Dazu der besondere Fall:

Während 9 Jahren, von 195O bis 1959, pflegte die Ehefrau des Asbestwerkers H.J. dessen Arbeitskleidung zu Hause vom Asbeststaub zu reinigen. In den 8O-iger Jahren erkrankte die Ehefrau infolge dessen an einem tödlichen Asbestmesotheliom.

Die Berufsgenossenschaft, die für das Unternehmen zuständig war, in dem der Asbestwerker H.J. beschäftigt gewesen ist, befaßte nicht erst den hierfür zuständigen Rentenausschuß mit dieser Angelegenheit.

Vielmehr wurde der Entschädigungsantrag mit formlosem Schreiben seitens der berufsgenossenschaftlichen Verwaltung verbunden allerdings immerhin mit einer Rechtsbehelfsbelehrung abgelehnt.
Die Berufsgenossenschaft wörtlich:

"Beim Reinigen der Arbeitskleidung Ihres Ehemannes ist G. J. auch nicht wie eine Versicherte gem. § 539 Abs. 2 RVO für obiges Unternehmen tätig gewesen. Nach unseren Feststellungen gehörte die Reinigung der Arbeitskleidung nicht zu den Verrichtungen, die dem Betrieb hinzuzurechnen waren, sondern es handelte sich hierbei um Tätigkeiten, die ausschließlich dem privaten Bereich zuzuordnen waren."

Diese Begründung mag erhellen, wie wenig ein kausales Denken bei den Berufsgenossenschaften verbreitet zu sein scheint.

Bereits vom Faktischen konnte es sich im Ernst nicht um "Tätigkeiten" handeln, "die ausschließlich dem privaten Bereich zuzuordnen waren".

Man nahm überdies dem Versicherten, also dem Asbestwerker posthum übel, daß er in seiner verstaubten Arbeitskleidung nach Hause gegangen war, statt diese wie die anderen Arbeitnehmer vor Ort in der Firma auszuklopfen.

Dies ändert zwar nichts an der Kausalität, mag aber die Richter später beeindruckt haben.

Im weiteren Verlauf stellte sich allerdings heraus, daß auch andere Arbeitskollegen derselben Firma T. in Mülheim/Ruhr ihre Arbeitskleidung von der Montage etwa mit nach Hause nahmen und dort von den Ehefrauen reinigen ließen. In ihrer Klageerwiderung legte die Berufsgenossenschaft noch eins drauf, wörtlich:

"Unstreitig dürfte feststehen, daß die Klägerin die Arbeitskleidung ihres Ehemannes in Auswirkung ihrer sich aus dem Ehevertrag ergebenen Verpflichtung gereinigt hat."

Als ob die todbringende Reinigung der Arbeitskleidung des Ehemannes eine eheliche Pflicht wäre. Sicher handelte es sich um eine gemischte Tätigkeit, und zwar um eine Tätigkeit im eigenen Haushalt, gerichtet aber auf die Beseitigung von Arbeitsschmutz, der aus dem Mitgliedsunternehmen der Berufsgenossenschaft herrührte.

Im Sinne der Kausalitätsnorm der wesentlichen Mit ursächlichkeit wurde die Hausfrau "wie ein Versicherter" tätig, etwa wie ein Mitarbeiter, der die Arbeitskleidung vor Ort in der Firma ausklopfte und dabei selbstverständlich versichert war.

Während das Sozialgericht die Klage prompt abwies, sah es das Berufungsgericht, das Landessozialgericht NRW, anders.

In einem ersten Fall dieser Art also erkannte wenigstens das Berufungsgericht wegen der offenkundigen Kausalität auf eine Berufskrankheit der Versicherten G.J., Berufkrankheit BK 41O5 i. V. mit § 539 II RVO.

Dies ließ die Berufsgenossenschaft aber keineswegs ruhen. Die Berufsgenossenschaft legte Revision ein, statt die
Gelegenheit beim Schopf zu ergreifen, in diesem schlimmen Fall gestützt auf das positive Urteil des Landessozialgerichts Essen den Betroffenen resp. Hinterbliebenen zu helfen.

Was der Verfasser zuvor befürchtet hatte, trat wenig später ein.

Das Bundessozialgericht hob auf die Revision der Berufsgenossenschaft das Urteil des Landessozialgerichts auf.

Gelegentlich einer späteren Tagung zum Thema Asbestmesotheliome in Bad Reichenhall hörte man aus dem Munde der höchsten Richter, daß der Fall schlaflose Nächte bereitet hätte.

Wie aber konnte dann die leicht anzuwendende Norm des § 539 II RVO so verkannt werden in der chstrichterlichen Rechtsprechung?

Hier rächte sich fatal, daß man in der neueren Rechtsprechung zur Bestimmung einer versicherten Tätigkeit dem berufsgenossenschaftlichen Wunschdenken eines inzwischen pensionierten Verbandsgeschäftsführers und Kommentators folgte und zur Entschädigungsvoraussetzung eine sogenannte "finale Handlungstendenz" der verunglückten Person machte.

In anderen Worten muß die finale Handlungstendenz der betreffenden Person bewußt auf eine versicherte Tätigkeit ausgerichtet sein im Zeitpunkt des Unfalls oder der schädigenden Einwirkung der Berufskrankheit.

Bislang genügten kausale Gesichtspunkte bezüglich des beruflichen Zusammenhangs, mochte auch der Betroffene subjektiv den Gesamtkontext nicht erkennen.

Nur die kausale Betrachtungsweise konnte in den Grenzfällen eine Entschädigungshilfe anbieten.

Im Fall der geschädigten Hausfrau führte das Bundessozialgericht folgendes aus:

"Die Handlungstendenz ihrer derartigen Hausarbeit ist wesentlich allein auf den Haushalt gerichtet. Das schließt es aus, mit Rücksicht auf den objektiven Nutzen der schädigenden Verrichtung auch für das Unternehmen trotzdem Versicherungsschutz annehmen. Deshalb kann es dahinstehen, ob es tatsächlich dem erforderlichen wirklichen oder wenigstens mutmaßlichen Willen des Unternehmens entsprochen hätte, daß die Ehefrau als Außenstehende anstelle ihres Ehemannes wie eine Beschäftigte des Unternehmens für dieses außerhalb des Betriebes die Kleidung gereinigt hätte."

Das Urteil macht nicht klar, ob sich das Bundessozialgericht überhaupt bewußt war,. daß wesentliche Mitursächlichkeit genügt und die Kausalitätskriterien erfüllt waren.

Das Bundessozialgericht wörtlich an anderer Stelle: "Diese Tätigkeit war der Handlungstendenz nach wesentlich allein auf eigenwirtschftliche, nämlich auf die Interessen des eigenen Haushalts der Eheleute gerichtet."

Hier wird der Sachverhalt auf den Kopf gestellt, und zwar unter Zuhilfenahme des höchst anfechtbaren Begriffs der sogenannten finalen Handlungstendenz.

Im Tatsächlichen war sich die Ehefrau mit Sicherheit bewußt, daß sie Arbeitskleidung reinigte und daß diese Arbeitsschmutz, nämlich Asbeststaub aufwies.

Bei dem Unternehmen T. handelte es sich seinerzeit um ein Asbestisolierunternehmen.

Es wirkt als mehr konstruiert, wenn man der Ehefrau posthum unterstellt, ich Ehefrau erfülle hier nur meine eheliche Pflicht.

Derlei Einwände, worin denn das eigenwirtschaftliche Moment liege, wenn verschmutzte Arbeitskleidung gereinigt wird, ließen das Bundessozialgericht allerdings ungerührt.

Die Ablehnung des Versicherungsschutzes in diesem Fall führte dazu, daß die Arbeitsmediziner gewissermaßen auf die Barrikaden gingen und für eine Veröffentlichung des arbeitsmedizinischen Standpunktes in der nicht gerade medizinischen Fachzeitschrift Die Sozialgerichtsbarkeit sorgten.

Mit diesem Fall ist sicher nicht das letzte Wort gesprochen.

Rechtsweghinweis: Im Grundsatzfall ist der Vorstand der Berufsgenossenschaften nach dem Gesetz auch der gerichtliche Vertreter.

Selbst bei Rüge braucht allerdings die berufsgenossenschaftliche Verwaltung nicht nachzuweisen, daß die Vollmacht des Terminvertreters oder die Einlegung eines Rechtsmittels vom Vorstand gedeckt ist bzw. dieser überhaupt davon weiß.
Nach Auffassung des Verfassers gilt folgendes:
Hätte die Verwaltung der Berufsgenossenschaft vorher, d.h. vor der Revisionseinlegung gegen das positive Landessozialgerichtsurteil dem ehrenamtlich besetzten berufsgenossenschaftlichen Vorstand (Arbeitgeber- und Arbeitnehmervertreter in paritätischer Besetzung) die Frage ordnungsgemäß vorgelegt, ob Revision eingelegt werden soll, hätte die berufsgenossenschaftliche Verwaltung nicht das okay bzw. die Einwilligung zur Revisionseinlegung erhalten.

In diesem Falle wäre das Urteil des Landessozialgerichts rechtskräftig geworden und es wäre nicht zu dem Fehlurteil des BSG gekommen. Dem Bundesverfassungsgericht war dieser Fall trotz ausführlicher Begründung der Verfassungsbeschwerde nur ein ablehnender Zweizeiler wert, der nicht einmal erhellte, daß die erfassungsbeschwerde tatsächlich zur Kenntnis genommen war, etwa vom heutigen Bundespräsidenten, der damals zuständiger Vorsitzender
war.

Die Verfassungsbeschwerde in einem weiteren Fall einer Hausfrau, die auf Grund eines vergleichbaren Falles der Reinigung der Arbeitskleidung ihres Ehemannes, ebenfalls Mitarbeiter der genannten Firma T. in Mülheim, ein Asbestmesotheliom davontrug, stößt inzwischen auf mehr Interesse beim Bundesverfassungsgericht.

Das Bundesverfassungsgericht startete eine Rundfrage an BMA, Hauptverband etc.. Ob die Verfassungsbeschwerde angenommen wird oder Erfolg zeitigen wird, steht dahin.


** Die obigen rechtlichen Ausführungen stellen naturgemäß keine Rechtsberatung dar, sondern sollen lediglich als erste Information und Orientierung dienen. Dabei ist zu beachten, dass sich die Rechtslage auch jederzeit ändern kann und die obigen Ausführungen insofern nicht in jedem denkbaren Fall die jeweils aktuellste Rechtslage darstellen können.

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